Naturnahe Balkone und Terrassen

Für viele Balkon- und Terrassenbesitzer geht die Saison in wenigen Tagen, meistens Ende Mai nach der "Kalten Sophie", wieder los. Entweder werden die im Keller mühevoll überwinterten Geranien, welche ursprünglich aus Afrika stammen und botanisch betrachtet nichts mit unseren heimischen Geranium-Arten zu tun haben, unter grossen Anstrengungen umgetopft und ausgewintert oder für Unsummen in Baumärkten oder Gartencentern neu gekauft. Natürlich geht es nicht nur um die klassischen Geranien, sondern auch um Petunien oder "Hochzucht"-Primeln sowie die klassischen Stiefmütterchen und andere typische Kübelpflanzen. Diese Pflanzen werden unter sehr grossen Energieaufwändungen in Gewächshäusern mit einer enormen Menge Wasser und Pflanzenschutzmittel schnell herangezogen. Ihre Pracht weilt aber nur von kurzer Dauer, da sie als sogenannter Wechselflor nach der Saison (welche meistens nur wenige Wochen andauert)  in die Biotonnen wandern. Die noch vorhandenen und nicht vollständig abgebauten Pflanzenschutzmittel gelangen dann bei der Feldrandkompostierung auf unsere Felder und ins Grundwasser. Von dort aus gelangen sie  dann 

in unsere Nahrungsmittel und irgendwann in unser aller Trinkwasser. Bedenklich ist, dass viele der verwendeten Stoffe durch die hier ansässige Landwirtschaft nicht direkt ausgebracht werden dürften. Die verwendeten Mittel haben oftmals keine Zulassung für die Freilandnutzung und Lebensmittelproduktion. In Deutschland hat der BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz e.V.) im Mai 2021 35 verschiedene als "bienenfreundlich" geltende und als solche deklarierte Pflanzen in Gartencentern, Baumärkten und Möbelhäusern erworben. In 40% der untersuchten Pflanzen wurden bienengiftige Pestizide nachgewiesen, in 9 Proben wurde sogar mehr als ein für Bienen hochgiftiges Pestizid nachgewiesen. Insgesamt konnten mehr als 55 verschiedene Pestizide nachgewiesen werden, wovon 12 giftig für Wild- und Honigbienen sind. Detailerte 

Honiguntersuchungen kamen zu dem  Ergebnis, dass sehr viele Pestizide nachweisbar sind und teilweise über dem Grenzwert liegen. Imker sind nicht verpflichtet ihren Honig untersuchen zu lassen, weshalb keine detaillierten und flächendeckenden Ergebnisse vorliegen. Es ist defakto richtig, dass viele Stoffe aus der ansässigen konventionellen Landwirtschaft stammen, allerdings sollte man bedenken, dass die Situation nicht durch "Wegwerf-Produkte" welche keinerlei Nutzen bringen, nicht auch noch verschlimmert werden sollte. Gerade im Zierpflanzenanbau im "billigeren" Segment (ausserhalb von Fachgärtnereien) kann die Situation oftmals als katastrophal bezeichnet werden. Die Verbraucher/innen wollen mit insektenfreundlichen Pflanzungen etwas gegen das Artensterben und für mehr Biodiversität tun und verwenden prinzipiell sinnvolle Pflanzen, die letzten Endes dann mehr schaden als nutzen.

Eine von Greenpeace durchgeführte Studie mit dem Titel "Garten Eden" kam zu einem ähnlichen Ergebnis, woraus sich schliessen lässt, dass es sich nicht nur um einen Einzelfall handelt, sondern sehr wahrscheinlich leider die gängige Praxis ist. Dabei möchte ich betonen, dass diese Problematik nicht zu hundert Prozent zutrifft. Es gibt auch in der Schweiz (sowie in den umliegenden Ländern) grosse Pflanzenproduzenten, welche die erwähnten Pflanzen in guter Bioqualität produzieren bzw. auf den grossflächigen Einsatz von Chemikalien wo auch immer möglich verzichten. Diese Pflanzen sind dann natürlich umständlicher in der Produktion und deshalb auch um einiges teurer.

Den Verbrauchern ist oftmals auch nicht bewusst, dass viele in Europa gekaufte Pflanzen ursprünglich aus Kolumbien oder Kenia stammen können. Die Gesetzgebung der EU schreibt lediglich vor, dass als Herkunftsland das Land gilt, in dem der letzte Produktionsschritt stattfand. Werden die Pflanzen dann in die Schweiz eingeführt, so wird als Herkunftsland die EU deklariert.

Die von uns verwendeten Hochzuchtpflanzen gehen so zu Lasten der Südländer, welche die langfristigen Umwelt- und Gesundheitsschäden tragen müssen.

Wobei man auch nicht vergessen sollte, dass es sich dabei um "Wegerf-Produkte" handelt, welches die Sache natürlich moralisch noch weiter verschlimmert. Freilandpflanzen wachsen hingegen sehr langsam, kommen mit allen äusseren Einflüssen während der Kultivierung in Berührung und sind aus diesem Grund wesentlich robuster. Einheimische Wildstauden haben sich über Jahrhunderte an die hiesigen Umweltbedingungen angepasst und können daher mit "Schädlingen" besser umgehen und erholen sich schnell wieder. Eine naturnahe Umgebung mit Vögeln, Wespen und anderen Nützlingen verhindert einen hohen Schädlingsbefall auf natürlichen Wege. Der sogenannte Wechselflor bietet meistens während seiner sehr kurzen Lebenszeit keinerlei oder nur sehr bedingt Nahrung für unsere Insekten und Vögel. All das muss nicht sein!

Immer wieder liest man, dass die Verwendung von Torf bei der Anzucht und bei den verkaufsfertigen Setzlingen reduziert wird. Viele sind sich nicht bewusst, dass es keinerlei Torf in der Pflanzenerde braucht. Ich ziehe alle meine Stauden zu 100 % torffrei! Der Abbau von Torf schädigt und zerstörrt unsere Moore. Dabei geht ein grosses landschaftliches Biotop verloren und das gespeicherte Kohlendioxid entweicht und das Klima wird nachhaltig und unwiderruflich geschädigt. Ein weiterer Nachteil von Torf ist, dass es den pH-Wert der Erde in den sauren Bereich verschiebt, allerdings benötigen die meisten Pflanzen einen neutralen bis alkalischen Boden. Auch die meisten Mikroorganismen leiden unter dem sauren Einfluss des Torfs, das Leben der Böden verarmt dadurch dauerhaft. Dieses Leben ist aber notwendig, damit wir dauerhaft und für unsere nachfolgenden Generationen fruchtbaren Boden erhalten. Die Verwendung von Torf benötigt auch eine stärkere Düngung, welche im konventionellen Pflanzenanbau immer chemisch erfolgt und zu weiteren negativen Einflüssen auf die Umwelt führt. Die Verwendung von Torf beeinflusst auch das Wurzelwachstum der Pflanzen negativ und lässt diese dauerhaft sogar faulen. Es ist richtig, dass Torf anfänglich den Boden lockert und eine gute Wasserspeicherung besitzt. Problematisch wird es dann, wenn sich der Torf zersetzt, die so entstandenen sehr feinen Partikel führen zur Vernässung der Erde. Ist frischer Torf erstmal trocken, so wird es sehr schwer in wieder zur Wasseraufnahme zu bewegen. Eine gut Erde für Kübelpflanzen sollte zum einen nicht zu locker sein, da sie dann sehr schnell austrocknet und sollte auch nicht aus reiner Landerde bestehen, da diese dann zu kompakt wird, was sie eher luftarm macht. Eine gute Mischung wäre rund 40% Landerde mit 15% Kompost aus Pflanzenmaterial (schlecht geeignet ist Holzkompost) und sollte einen hohen mineralischen Anteil haben, damit die formstabilität im Topf gegeben ist. 

Die naturnahe Bepflanzung von Töpfen, Kübeln oder Balkonkistchen eignet sich für sehr viele Gelegenheiten, wie Terrassen, Balkone oder Eingangsbereiche.

Auch der eine oder andere Akzent im Garten oder der Einfahrt kann durch ansprechend bepflanzte Töpfe gesetzt werden. Die Verwendung von Wildstauden bietet viele Vorteile und ist auch für gärtnerische "Faulenzer" bestens geeignet. Wildstauden sind generell sehr anspruchslos und brauchen wenig Pflege. Die Pflanzen der mageren Trockenstandorte kommen auch ohne dauerhaftes wässern sehr gut auf Südbalkonen zurecht. Natürlich gibt es für jede Balkonausrichtung geeigntet einheimische Stauden. Im Gegensatz zu den eher klassischen Geranien-Arten oder Petunien müssen sie nicht in kurzen Abständen gedüngt, gepäppelt oder ersetzt werden. Die Pflanzen sind robust und können dauerhaft über mehrere Jahre im gleichen Gefäss behalten werden. Ein Einwintern entfällt, lediglich ein Rückschnitt im Frühjahr sollte erfolgen. 

Natürlich erhält man durch einen Rückschnitt vieler Pflanzen im Sommer nach der ersten Blütezeit meistens im Spätsommer nochmals eine zweite Blüte.  Selbstverständlich ist es nicht so, dass Wildstauden in Töpfen keine Pflege brauchen. Auch sie benötigen Wasser, müssen aber wesentlich weniger gegossen werden, auch sie sollten im Frühjahr eine kleine Menge frischen Kompost erhalten und auch sie werden irgendwann zu gross für ihre Gefässe. Dann sollte man sie aus dem Topf nehmen, die Wurzeln zurückschneiden und im gleichen Masse die Pflanze oben einkürzen und wieder neu eintopfen. Allerdings belohnt uns diese Art der Bepflanzung für unsere Mühen. Die Töpfe fangen nicht nur

an zu blühen, sondern sie leben. Man kann sehr viele Insekten wie Wildbienen, Schmetterlinge oder Raupen auf kleinsten Raum beobachten.Lässt man die Samenstände über den Winter stehen, so hat man natürliches und gesundes Vogelfutter und gleichzeitig wirken die Bereiche weder steril noch leer. Dieses Stück Natur macht nicht nur optisch etwas her, es tut auch unserer Seele gut. 

Zur Bepflanzug eignen sich fast alle Arten von Gefässen, sie sollten nur winterfest sein und über ein ausreichend grosses Abzugsloch verfügen. Vom "alten" Holzkistli, der ausgedienten Zinkbadewanne und den Standard-Gartencenter-Töpfen ist alles möglich. Selbst Sumpf- oder feuchtigkeitsliebende Pflanzen können verwedet werden, wenn man aufs Abzugsloch verzichtet. 

Ein weiterer und aus meiner persönlichen Sicht, nicht zu verachtender Aspekt ist die Nutzbarkeit der Pflanzen. Zum einen kann man viele einheimische Stauden als Wildgemüse verwenden (Wiesenmargerite, Moschus-Malve u.v.a), zum anderen kann man die diversen Kräuter zum Würzen in der Küche verwenden oder man hat seine eigen Hausapotheke (Thymian, Salbei, Pfefferminze, Kamille  u.a.) vor der Haustüre jederzeit griffbereit. Natürlich kann man auch mit den vielen essbaren Blüten Desserts oder Salate ansprechend und einfach dekorieren.